„Tu' was, du fauler Hund“

Hans Reinhardt, Gründer der Aktion Canchanabury

Gründung und Geschichte

„Dich zu kennen, ist eine Strapaze!“

Diese Äußerung gilt Anfang der sechziger Jahre Hans Reinhardt, einem jungen Mann, der viele Menschen für ein außergewöhnliches Projekt auf Trab bringt.

Zugetraut hat ihm dies keiner, ist er doch seit seinem vierten Lebensjahr schwer krank. Die Ärzte im Jahre 1935 vermuten Kinderlähmung. Sicher ist man sich aber nicht, und trotz teurer Behandlungen kann der Junge bald nicht mehr laufen. Mit 13 Jahren besucht er zum ersten Mal eine Schule, schafft das Pensum von fünf Volksschuljahren in weniger als einem Jahr.

1954 kommt Hans in Bochum in Kontakt mit der Pfarrjugend der Christ-König-Gemeinde, seine Gesundheit hat sich mittlerweile stabilisiert. Er wird Mitglied, bald darauf Schriftführer und Kassenwart. Als Assistent des Franziskanerpaters Ottokar Mund lernt er, die Bücher zu führen und Maschine zu schreiben. „Nur Ring- und Mittelfinger der rechten Hand waren dafür zu gebrauchen. Immerhin komme ich auf 180 Anschläge pro Minute.“ Eine Aktion für die Flüchtlinge in Unna-Massen ist sein erstes Hilfsprojekt, bevor es dann richtig zur Sache geht.

Das Leid anderer verstehen

Jetzt wird die Bekanntschaft mit ihm wirklich zur Strapaze. Denn er hat sich etwas in den Kopf gesetzt. Er will denen helfen, denen es seiner Meinung nach noch „dreckiger“ geht als ihm selbst – den Leprakranken! Wie er auf die Idee kam?
„Im Mai 1960 kam mir der Gedanke, den Aussätzigen zu helfen. Niemand gab mir den Rat, kein Buch und kein Film regte mich dazu an. Es lag wohl daran, dass ich selber krank war. Der beste Dolmetscher für das Verstehen des Leides seiner Mitmenschen ist das Leid, das man selbst ertragen musste.“

Hans Reinhardt, Gründer der Aktion Canchanabury
Hans Reinhardt im Gespräch
Hans Reinhardt im Rollstuhl
Hilfsgüterstransport der Aktion Canchanabury

 

Gesagt, getan! Zuerst gilt es, die skeptischen Freunde zu überzeugen. „Sie waren von mir einiges gewöhnt. Aber als ich ihnen von meinem Plan erzählte, zentnerweise alte Briefmarken zu sammeln, gingen sie in die Knie!“ Hans überredet sie. „Vier Millionen Leprakranke gibt es auf dieser Welt. Vielleicht sind es sogar 12 Millionen, ganz genau weiß das niemand. Aber 80 Prozent von ihnen könnten durch Medikamente im Wert von nur fünf Mark gerettet werden. Lasst uns also ein Leprakrankenhaus bauen.“

Nach einem Treffen mit dem Essener Pater Alfons Schröder steht sein Entschluss schnell fest. In Canchanabury in Thailand, nicht weit von der berühmten Brücke über den River Kwai, soll das Krankenhaus entstehen. Doch der Verkauf von Briefmarken allein reicht nicht aus. Sammelbüchsen werden aufgestellt, Altmaterialsammlungen durchgeführt, Basare veranstaltet, bekannte Künstlerinnen und Künstler stiften Graphiken.

Am 10. Oktober 1961 wird ein Verein gegründet, die Aktion Leprakrankenhaus Canchanabury. Der Vorsitzende heißt natürlich Hans Reinhardt. Zwei Jahre später ist das Geld für das Hospital zusammen. Doch da verbietet die thailändische Regierung plötzlich den Bau. Leprakranke in der Nähe des Touristenzentrums am River Kwai passen nicht ins Bild.

Andere würden sicherlich jetzt aufgeben, aber nicht Hans Reinhardt! Er nimmt Kontakt auf mit den Afrikamissionaren, den „Weißen Vätern“ in Köln. Diese benötigen Mittel für die Behandlung von Leprakranken im Kongo. 1965 entsteht in Badiya für 100.000 DM eine Leprastation, das erste Projekt der Aktion Canchanabury. Der Name „Canchanabury“ wird beibehalten, kann man doch aus Niederlagen nur lernen, wie Hans Reinhardt meint.

Vom Rollstuhl aus aktiv

Er legt die Hände nicht in den Schoß. Neue Aufgaben warten auf ihn und sein Team. Das Projekt im Kongo wächst, 1966 kommt ein Lepradorf in Bunia hinzu, endlich im Jahre 1970 die dritte Station in Aru. Ab 1977 unterstützt die Aktion den Ausbau des Leprazentrums Lukupa in Sambia. Hans Reinhardt bleibt am Ball, sammelt vom Rollstuhl aus unermüdlich weiter. Dieser Einsatz fordert viel Kraft. Trotzdem setzt er sich bis zu seinem Tod am 23. Januar 1978 beharrlich für die Leprakranken ein.

Hans Reinhardt stirbt im Alter von 47 Jahren. Seine Idee aber bleibt lebendig. Die Freunde setzen sein Werk fort, entwickeln es laufend weiter. Die Aktion Canchanabury kann sich so neuen Herausforderungen stellen und bringt immer mehr Kranken Hoffnung und Heilung. Denn Hans Reinhardts Vorbild regt nach wie vor viele Menschen zu eigenem Handeln an.

„Wir wollen keinen Schuss in den Ofen abfeuern, sondern Schläge gegen die Trägheit austeilen.
Tu was, du fauler Hund, aber nicht für dich, sondern für die anderen!“
                      

Hans Reinhardt